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Jüdische Gemeinde

Mauer und ehemaliger Friedhof am „Heftricher Weg“, Februar 2010

Bereits um 1700 lebten in Esch und Idstein jüdische Familien, die eine gemeinsame Gemeinde bildeten. In Idstein wurde 1793 auch eine Synagoge gebaut. Der Friedhof für diese Gemeinde wurde in Esch, am heutigen Ortsausgang der Eschtalstraße in Richtung Heftrich angelegt, der bis 1887 genutzt wurde. Danach wurde ein neuer jüdischer Friedhof in Idstein, gegenüber der heutigen Lore-Bauer-Halle, angelegt. Spätestens während der NS-Herrschaft wurde der Friedhof in Esch restlos abgeräumt, so dass heute weder Grabhügel noch Grabsteine, wohl aber eine Mauer, erhalten sind.

Die jüdischen Familien hatten bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch keine festen Familiennamen. Meist gab es nur einen Vornamen, dem der Vorname des Vaters als weiterer Name beigegeben wurde. Dazwischen konnte „ben“ für Sohn, oder „bat“ für Tochter stehen, was hier aber wohl nicht der Fall gewesen ist. Das konnte dann so aussehen:

Herz Salomon war der Sohn von Salomon. Der Sohn von Herz hieß dann wiederum z.B. Löb Herz.

Die Auswirkungen dieser abweichenden Namensgebung zeigt sich z.B. bei der Nacherzählung einer Begebenheit aus dem Jahre 1801. Damals soll der bekannte Räuber Johannes Bückler, genannt „Schinderhannes“, einen Teil des Raubgutes aus dem Überfall auf die Post in Würges an einen Juden namens Herz Salomon aus Esch verkauft haben, allerdings passen die Altersangabe aus den Prozessakten und das tatsächliche Alter und von Herz Salomon, dem Urgroßvater von Hermann Eschenheimer, nicht zusammen. Vermutlich handelte es sich daher um einen seiner Söhne, der kurz darauf den Namen gewechselt haben wird.

Unter der französichen Besatzung zu dieser Zeit änderte sich nämlich die Namensregelung, und die Juden mussten sich, als Bedingung für die Erlangung erweiterter Bürgerrechte, Nachnamen nach „deutschem“ Muster zulegen. Unter Übersetzung aus dem Hebräischen entstand dann aus Löb (Löwe) der Name Löwenstein, und mit Bezug auf den Herkunftsort der Name Eschenheimer, die sich teilweise bis in die NS-Zeit hielten. Im Jahr 1871 wurden bei einer Volkszählung 14 jüdische Einwohner erfasst, was allerdings aufgrund der vorliegenden Geburtstdaten recht wenig erscheint.

In den Kriegen des 19. Jahrhunderst, so z.B. 1870/71 und insbesondere im 1. Weltkrieg wurden viele jüdische Einwohner als Soldaten eingesetzt, teilweise meldeten sie sich freiwillig um ihre Zugehörigkeit zu Gemeinde und Staat zu beweisen. Im 1. Weltkrieg fielen Julius Eschenheimer und Max Löwenstein.

Die jüdischen Einwohner waren ab dem Zeitpunkt als das Vereinswesen liberalisiert wurde, also etwa Mitte/Ende des 19. Jahrhunderts, stets auch in den Escher Vereinen vertreten, so waren Hermann und Otto Eschenheimer ausweißlich der Inschrift auf dem Kriegerdenkmal Mitglieder des Kriegervereins, Otto Eschenheimer war Gründungsmitglied des Sportverein 1921 Esch e.V.

Gasthaus zur Krone, rechts am Bildrand Anwesen Eschenheimer, 1940er Jahre, Foto von R. Wick

Gasthaus zur Krone, rechts am Bildrand Anwesen Eschenheimer, 1940er Jahre, Foto von R. Wick

Über die Generationen entstanden mehrere „Judenhäuser“, also die Stammhäuser der Familien, die entsprechend weiter vererbt wurden. Eines stand neben dem Hof Lanz, zwischen dem heutigen Gasthaus Zur Krone und dem „Aahle„. Vor dem Krieg beherbergte es Teile der Familie Eschenheimer, stand dann aber wohl eine Zeit lang leer. Nach dem Krieg wurden dort noch Flüchtlinge einquartiert, irgendwann wurde es aber weitgehend abgerissen, so dass heute nur noch ein Teil der Mauern erhalten ist,  die als Wände für Schuppen des Anwesens Lanz genutzt werden.

Ehemals jüdisches Haus, heute Schwalbacher Str. 20, um 1963, Foto: Fam. Bund

Ehemals jüdisches Haus, heute Schwalbacher Str. 20, um 1963, Foto: Fam. Bund

Ein anderes jüdisches Haus war „Nathans Haus“, dort, wo heute die Schwalbacher Str. 20 mit Bank, Arztpraxis und Apotheke ist, am Anfang der Borngasse. Dort wohnte das letzte Mitglied der jüdischen Gemeinde Esch, Rebecca Löwenstein, vermutlich bis 1938. Das Haus wurde unter der NS-Herrschaft eingezogen. Das Grundstück wurde in den 1960er Jahren von Walter Bund gekauft und das Haus wurde abgerissen.

Ortsansicht und Geschäft von Feist Löwenstein

Gegenüber von Nathans Haus befand sich das Geschäft von seinem Bruder Ferdinand Löwenstein, der dort als Vieh- und Warenhändler aktiv war. Nach 1934 übergab er sein Geschäft an seinen Sohn Albert, 1936 zog die Familie nach Königstein. Heute befindet sich hier die Bäckerei Ries.

Die Geschäftsbeziehungen der Escher Einwohner mit den jüdischen Geschäftsleuten wurden nach der Machtergreifung des NS-Unrechtsregimes zusehends schwieriger. So berichtet Wilhelm Jung aus Reichenbach von Repressalien gegen ihn aufgrund seiner Geschäfte mit einem jüdischen Viehhändler aus Esch.

Karl Bund, der in den 1930er Jahren neben dem Geschäft von Ferdinand Löwenstein ein Dependance der Firma Goldschmidt (vermutlich Meier Goldschmidt & Cie) aus Idstein unterhielt, wurde nach Erinnerungen von Albert Bund zeitweise mit einem Boykott belegt, dem er sich wohl auch anfänglich widersetzte. Er entging entsprechenden Folgen wohl nur durch eine verwandschaftliche Beziehung mit der Frau des NSDAP-Bürgermeisters Adolf Heilhecker.

Da die jüdische Gemeinde Ende der 1930er Jahre faktisch nicht mehr existierte kam es auch zu keinen Deportationen direkt aus Esch. Dennoch ist ein Angriff auf das Haus von Nathan und Rebecca Löwenstein überliefert, und zahlreiche ehemalige Escher Einwohner starben auf der Flucht oder in den Vernichtungslagern der Nazis (Aufzählung vermutlich nicht vollständig).

1940: Willi Eschenheimer, Bertha Löwenstein (geb. Weinberg)

1941: Mathilde Issselbächer (geb. Löwenstein), David Löwenstein

1942: Selma Kahn (geb. Löwenstein), Frieda Stern (geb. Löwenstein), Selma Hermann (geb. Löwenstein),  Hermann Löwenstein, Selma Löwenstein (geb. Vogel), Ilse Löwenstein

1943: Bertha Nachmann (geb. Eschenheimer), Ruth Löwenstein

2019 wurden in Idstein drei Stolpersteine für die Familie von David Löwenstein verlegt. Foto: Stefan Gärth

Bei den Orten, an denen die Menschen zu Tode kamen, finden sich viele Ortsnamen die zu Symbolen der menschenverachtenden Vernichtungspolitik der NSDAP geworden sind. Dazu gehören die Tötungsanstalt Prina Sonnenstein, die Gehttos Minsk und Theresienstadt sowie die Vernichtungslager Sobibor und Auschwitz.

Einigen Familienmitgliedern gelang die Ausreise bzw. Flucht in sichere Länder, so dass sowohl in Israel als auch in den USA und Südamerika heute die Escher Namen Löwenstein und Eschenheimer weiter exisitieren.

Quellen: