Eine schlimme Wolfsjagd

Kurz nacherzählt nach Gross, August, im Heimatjahrbuch des Untertaunus 1963

Nach den Wirren des dreißigjährigen Krieges war die Pfarrestelle in Esch lange Zeit nicht besetzt. So war Georg Christian Rüger aus Walsdorf, dessen Sohn Johann Conrad Rüger später das Haus in der Kirchgasse 1 erbaute und der erste Pfarrer nach dem Krieg in Esch wurde, neben Walsdorf auch für Esch und Reinborn zuständig. Durch seine Aufzeichnungen in den Kirchenbüchern und Archivalien im Staatsarchiv zu Wiesbaden lässt sich eine tragische Geschichte nachvollziehen, die sich im Januar 1665 in den Wäldern zwischen Dinkelstein und Diersbach, am so genannten Wolfseck oder Bottseifen, abspielte.

So hatte nach vielen Jahren der Entbehrungen und des Leidens, Niederems 1648 nur noch drei Hausgesäße und zwei Handvoll Einwohner. In den folgenden Jahren gab sich der Schultheiß Johann Ludwig Henche jede Mühe, dem Dorf wieder Auftrieb zu verschaffen. Nach und nach siedelten sich Vertriebene aus anderen Teilen des Landes an, und mancher Hof wurde wieder bewirtschaftet. Mit der steigenden Einwohnerzahl konnten die Menschen in Niederems auch wieder die Aufgaben der Saat und Ernte in größerem Umfang versehen, und Eheschließungen und Kindersegen kamen hinzu. So heirateten dann auch im Mai des Jahres 1664 der Sohn des Schultheiß, Hanns Heinrich Henche und Margarethe Metze, und alsbald durfte man auch Nachwuchs für das kommende Frühjahr erwarten und der alte Henche war sich des Fortbestandes seines Geschlechtes sicher. Im Herbst konnte  dann auch erstmals wieder ein Erntetanz an der Linde gefeiert werden, und zum ersten Mal zog so etwas wie Frohsinn in die Gemüter der geschundenen Niederemser ein.

Der Winter 1664 auf 1665 war jedoch sehr hart, und zwischen den Jahren schneite es stark. In der Neujahrsnacht 1665 hörten die Niederemser nicht nur das Heulen des Sturms, der durch die Strohdächer bließ, sondern von den Wäldern in Richtung Esch auch das Heulen der Wölfe, deren Jagd aufgrund der Mühsal des Krieges und des Wiederaufbaus lange Zeit vernachlässigt worden war. Wer durch diese Wälder nach Rod oder Heftrich gehen musste, der tat gut daran, ein Gewehr oder Pistolen mitzunehmen.

In der zweiten Woche nach Neujahr erhielt der Schultheiß dann Kunde aus Idstein, dass für den 13. Januar eine Treibjagd auf die Wölfe angesetzt sei, für die sich die Männer und Burschen von Esch, Wüstems und Niederems samt der vorhandenen Waffen zur Verfügung zu stellen hatten. In dem Gebiet, das heute Wolfseck heißt, oberhalb der Diersbach, hatte man drei große Wölfe ausgemacht, denen man beikommen wollte.

Und so zogen die Niederemser, unter ihnen auch der werdende Vater Henche Junior, am frühen Morgen durch den tiefen Schnee bergaufwärts. Doch der alte Förste Schopper aus Idstein stürzte im Schnee und ein Schuss löste sich aus seiner Muskete. Sie traf den Hanns Henrich Henche tödlich in den Hals, so dass am Mittag nicht nur zwei tote Wölfe, sondern auch der verstorbene  Sohn des Schultheiß, auf den er seine Hoffnung als Stammhalter auf seinem Hofe gesetzt hatte, ins Dorf getragen wurden.

Nur vier Tage später, so sagen es die Kirchenbücher, starb auch die Witwe des Juniors, Margarethe, noch bevor sie ihr Kind zur Welt bringen konnte. Man kann sicher annehmen, dass zwischen den beiden Todesfällen eine Verbindung besteht, und vielleicht starb Henches Schwiegertochter am Kummer um ihren Mann.

Der Hof des Schultheiß Henche besteht dennoch bis in die heutige Zeit fort. Die Schwester des Verstorbenen heiratete eine Zeit danach den Sohn des Wörsdorfer Schultheiß Bott. Diese Sippe erhielt das Haus (heute „An der Linde 4“) bis in das 19. Jahrhundert, wovon auf die Innschrift im Sturzbalken des Scheunentors

Anno 1737 disser Bau steht in Gottes Hand Gott bewar es vor Feuer und Brand in Gottes Schutz steh ich / Adam Peter Bod u s

zeugt. Ein Wiese in der oben beschriebenen Wolfseck heißt bis heute „Bottseifen“. Durch Heirat wechselte der Name der Sippe um 1860 zu Rücker. Friedrich August Rücker ließ das heutige Wohnhaus erbauen.

Quellen:

Kreisausschuss des Untertaunuskreises (ed.) (1963) Heimatjahrbuch ‘Der Untertaunus’.

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